E. von Sydow's Orographischer Atlas (1855)

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E. von Sydow's Orographischer Atlas (1855)


VORWORT.

Unter dem Titel „Orographischer Atlas” wird hiermit eine, nach meinem Wissen, so neue Erscheinung vorgelegt, dass einige befürwortende Bemerkungen nicht überflüssig sein dürften.

Zu den Hauptaufgaben der geographischen Lehrmethode gehört vor Allem das Ordnen und Sichten der in einander greifenden Elemente, das stufenweise Aufbauen durch allmähliges Fortschreiten vom Einfachen zum Zusammengesetzten und vom Wenigen zum Vielen, und schliesslich das Verkitten der einzelnen Theile zum lebendigen Ganzen.

Wie wesentlich der zweckmässige Gebrauch der Karte zur Lösung dieser Aufgaben beiträgt, ist gegenwärtig wohl anerkannt, und ich habe vielfach die Gelegenheit ergriffen, den hohen Werth der Karte besonders zu betonen.

Die vollständig ausgeführte Karte ist theils Ersatz, theils bildlicher Erläuterer des Lehrbuches; man soll von ihr eben so gut Begriffe und Namen entnehmen können, wie aus dem Buche, ja bei richtigem Verständniss mit ihrer alleinigen Hilfe einen grossen Theil des elementaren Lehrstoffs bewältigen und weit mehr erreichen können, wie man noch mehrfach vermeint.

Um nun dieses richtige Verständniss der Karte zu befördern, den Orientirungs- und Abschätzungs-Sinn zu nähren und bei’m Schüler auf ein allmähliges Beherrschen des ordnenden Elementes möglichst unmittelbar zu wirken, ist die zeichnende Lehrmethode da mit bestem Erfolge angewandt worden, wo sie richtig gehandhabt wurde, aber auch vielfach zur Qual der Schüler unter gänzlichem Verfehlen des Zweckes da, wo sie missverstanden wurde und nur dem Namen nach in den Schulberichten prangte.

Derjenige Geographie-Lehrer, welcher den Schulknaben am Schlusse einer Mittwochsstunde sagt: „bis zum nächsten Sonnabend wird Asien gezeichnet!” und es unterlassen hat, je eine gründliche Anleitung des Kartenzeichnens, angemessen den jugendlichen Kräften und der auf solche Arbeiten verwendbaren Zeit, zu geben, und sich nicht darum kümmert, auf welche Weise der gute Wille oder Zwang die Aufgabe löst, dieser Lehrer spricht dem Sinne einer „zeichnenden Lehrmethode” Hohn und lebt in einer vollständigen Täuschung über den Erfolg seines Unterrichtes.

Den grossen Schwierigkeiten, mit welchen die öffentliche Schule bei’m Verfolg der zeichnenden Lehrmethode zu kämpfen hat, habe ich nie Auge und Ohr verschlossen und deshalb es auch für Pflicht erachtet, erleichternde Hilfsmittel darzubieten. Sie bestehen zunächst aus dem Gradnetz-Atlas und dem Hydrographischen Atlas. Beide Werke bieten mehr oder weniger Grundlagen, damit das noch Fehlende, je nach Befähigung und Zeit des Schülers, ergänzt werde, und bei beiden Werken ist eine ziemlich ausreichende Andeutung der Benutzungsweise nicht unterlassen worden.

Die Erspriesslichkeit der Methode „bei’m Zugrundelegen des einen Elementes oder mehrer durch Selbstergänzen der noch fehlenden ein dem Bedürfnisse entsprechendes Ganzes herzustellen”, ist nicht ausgeblieben, und dennoch kann sie nicht Sicherstellung dafür bieten, dass dem Schüler alle Elemente gleichmässig zum Eigenthume werden, da er gern geneigt ist, das ihm als Basis gegebene und ohne seine Mithilfe vorbereitete Element zu vernachlässigen. Dem zu begegnen (und in vieler andern Hinsicht) erscheint es praktisch, die Elemente vertauschen zu können, und z. B. einmal das hydrographische durch das orographische, das anderemal umgekehrt ergänzen zu lassen; doch dazu fehlte es bis jetzt an geeigneten Hilfsmitteln. Der orographische Atlas bietet hierzu neue Gelegenheit; er legt die natürliche Bodengestalt zu Grunde und fordert auf, durch Ergänzung der noch fehlenden Elemente zu einem Ganzen vervollständigt zu werden. Je nachdem nun die Ansprüche an dieses Ganze verschieden sind, würden mehr oder weniger Elemente einzutragen sein, vornehmlich aber das hydrographische und topographische in dem ersten Gerippe der Ortspositionen. Die Erweiterung des topographischen Elementes durch Eintragen von Grenzen, Strassen u. s. w. richtet sich lediglich nach Zeit und Standpunkt des Schülers.

Die reinen Gewässerkarten haben für die Verwendung zu mehren Zwekken ihr Praktisches und werden es behalten; dennoch – und wären sie noch so charakteristisch ausgeführt – leiden sie an dem Uebelstande, dass sie ein mehr oder minder in der Luft schwebendes flüchtiges Gewebe darbieten, welches nur in einzelnen Fällen das Gesetzmässige der Bodenanordnung erkennen lässt. Sie bieten nur sehr spärliche Anhaltpunkte für das naturgemässe Eintragen der gesammten Bodengestalt und überlassen gerade den schwierigsten und doch wesentlichsten Theil der ganzen Kartendarstellung der ungeübten Hand des Anfängers. Die einfache Folge von alledem ist, dass sich der Lehrer mit einer äusserst skizzenhaften Niederlegung der senkrechten Bodengliederung begnügen muss und ihm in keiner Weise dadurch für das richtige Auffassen derselben Gewähr geleistet wird. Das Wasser eines Landes tritt in den wenigsten Fällen als ein trennendes, in den meisten sogar als ein verbindendes Element auf, es hat viel weniger Theil an der natürlichen Gruppirung in einzelne Landschaften, wie die auf geologischen Gesetz en begründete vertikale Abwechslung der Bodengestalt. Sie ist es, welche Hand in Hand mit der Berücksichtigung geognostischer Verhältnisse, eine Basis abgiebt für richtige Gruppirung aller Lebenselemente, welche sich auf dem Boden entfalten; und welche ethnographische, naturhistorische, politische und statistische Fragen durch richtiges Verständniss im Stande ist zu beantworten. Mit einem beliebten Worte zu reden: die „Plastik des Bodens” ist eine der wichtigsten Grundlagen für die naturgemässe Entwickelung aller geographischen Elemente. Je weiter man sich in diesen Gedanken vertieft, um desto mehr muss man darüber staunen, dass dieser Werth der senkrechten Bodengliederung immer noch nicht hoch genug angeschlagen wird; denn was man auch in dieser Hinsicht bis jetzt geleistet findet, es ist zu grossem Theile noch sehr dürftig. Ich will keinesweges vielen der geographischen Lehrbücher zu nahe treten, welche in rühmlicher Weise darnach streben, ihren orographischen Theil in angedeutetem Sinne darzubieten, will auch keinesweges die Meinung aufkommen lassen, als fordere ich für die doch immer nur vorbereitende Schule ein grösseres Detail, wie in unseren besseren Compendien enthalten und will endlich das Verdienst einiger weniger Schulkarten keinesweges verkennen, welche bemüht sind, ein richtiges Bild der Bodenplastik hervorzurufen. Dennoch bleibt in dieser Beziehung noch mancher Wunsch zu erfüllen, und namentlich dürften wir mit der Methode noch keinesweges abgeschlossen haben, welche dem gesteckten Ziele zuführen kann. Die beste Methode möchte immer diejenige sein, welche dem natürlichen Gange der Dinge folgt, und wendet man das auf den gewöhnlichen Gang des geographischen Unterrichtes an, so dürfte ihn in den meisten Fällen ein grosser Vorwurf treffen. Fast überall wird mit dem Schüler zuerst das Fliessende durchgearbeitet und aus den zitternden Wellen der oft sehr periodisch gefüllten Wasseradern ein completes festes Gerippe gezimmert, in welches später die verschiedenen Bodenformen eingesenkt werden. Mag auch der Werth einer geordneten Vorstellung des Wassernetzes noch so unbestritten und dieselbe unbedingt nothwendig sein, so bleibt dieser Weg doch ein naturwidriger; denn nach den Formen und Stoffen des Grund und Bodens richtet sich die Anordnung des fliessenden Elementes und nicht umgekehrt. Diese Verwechselung des Werthes der Elemente ist denn nun auch auf die kartographischen Hilfsmittel und namentlich auf die Netzkarten übergegangen, so dass zuerst Flusskarten geboten worden sind und noch Niemand an reine Bodenkarten gedacht, wenigstens, so weit mir bekannt, keinen Versuch ihrer Veröffentlichung gemacht hat; denn einzelne Erscheinungen orographischer Uebersichtstableaus machen auf den Namen eigentlicher Bodenkarten wohl keinen Anspruch, ausgenommen: die kleine Bas-Reliefkarte von Europa, welche Carl Ritter im Jahre 1806 seinen „sechs Karten von Europa” hinzufügte und welche stets von einem hohen Werthe bleiben wird.

Es wäre höchst anmassend, wollte ich vermeinen unter den ersten zu sein, welche den Werth einer gründlichen Erkenntniss der reinen Bodengestaltung und ihres gesetzmässigen Zusammenhanges mit den geologischen und geognostischen Beziehungen, in seiner vollen Bedeutung erfasst haben, es ist vielmehr erfreulich wahrzunehmen, dass die einzelnen Führer der Wissenschaft ihre schönen Früchte in einen dankbaren und reichlich erzeugenden Boden gepflanzt haben. Dass dennoch bis jetzt die Schule einen verhältnissmässig untergeordneten Theil an der schönen Ernte gehabt, lag einmal an der mangelhaften Einrichtung der Hilfsmittel, und namentlich der Karten, dann aber auch an der Ungewöhnung, die neueren und besser eingerichteten Hilfsmittel richtig zu verstehen und zu gebrauchen. Was die Karten anbelangt, so war ich seit einer Reihe von Jahren bemüht, ihnen ein Gewand zu geben, welches auf wissenschaftliche Grundlagen gestützt, in möglichst ansprechender und leicht verständlicher Form darnach strebte, das Verständniss der Wahren Naturverhältnisse zu vermitteln. Die Einrichtungen meiner Karten des Wand-Atlas, des Methodischen Hand-Atlas und des Schul-Atlas fanden beschämenden und die Arbeitsmühe lohnenden Beifall, wie das unter anderem auch durch mehrfache entweder offen bekennende oder eigene Erfindung träumende und anpreisende Nachahmungen hervorgetreten ist. Gleichviel, ob laut oder still anerkannt, mein Streben wird immer dahin gerichtet sein, auf den eigenen Füssen weiter fortzuschreiten und der Schule die Ergebnisse tiefer eindringender Erkenntniss durch verbesserte Form und geläuterten Inhalt auch fernerhin zu widmen. Doch die Aufgabe wächst allmählig so gewaltig an, dass die Einzelkraft sie nicht mehr bewältigen kann, und in dieser Beziehung muss ich mir Glück wünschen, in der geographischen Anstalt von Justus Perthes zu Gotha treue Stützen gefunden zu haben. Nur unter solchen Begünstigungen konnte namentlich mein Schul-Atlas in seiner jetzigen Form hervortreten, und es gereicht mir zu besonderer Freude, diese Gelegenheit benutzen zu können, Herrn Hermann Berghaus für seine Verdienste um die Neuzeichnung und Herrn Bernhardt Perthes für seine Verdienste um die vervielfältigende Technik hiermit öffentlich Dank zu sagen. Hätte mich nicht bei der ersten Anlage meines Schul-Atlas der Gedanke geleitet, durch irgend eine Manier das gesammte Bodenbild möglichst deutlich hervortreten zu lassen, so wäre der Orographische Atlas noch nicht zur Ausgabe reif gewesen, denn er besteht ja aus weiter nichts, wie den braun gedruckten Platten des orographischen Theiles des Schul-Atlas.

Ungestört von jeder anderen Marke tritt hier die Bodenform in seinen Grundzügen heraus; die in Linienmanier schraffirten Flächen erscheinen als die Tiefländer, die durch Bergschraffirungen eingefassten weiss gebliebenen Räume als Hochländer. Je dunkler die liniirten Flächen um so tiefer ist ihre Lage, und im Allgemeinen bedeutet der dunkele Tieflandston die Bodenhöhe von 0 bis 250, der hellere diejenige von 250 bis 500 Pariser Fuss. Ich kann mir die (vielleicht übertriebene) Vorstellung nicht rauben, dass das Auge des Sachkenners mit gewissem Behagen auf diesen Bodenkarten ruhe, weil seine Gedanken ungestört den Grund und Boden alles Belebenden überfliegen und seine Fantasie ohne Beengniss aufgedrängter Vorschrift die verschiedenen Lebensstufen des Erdballs nun erstehen lassen kann. Einzelne Uebelstände, wie z. B. das Aussparen grösserer Landseen oder des für manche Bilder zu kleinen Maasstabes, mögen nachsichtig entschuldigt werden, weil eben der Gedanke besonderer Bodenkarten beim ersten Entwurf des Schul-Atlas noch nicht reif war und vorläufig doch nur die Platten desselben zum orographischen Atlas benutzt werden konnten. Findet dieser neue Atlas Anklang und bewährt sich seine Anwendung, so wird keine Mühe gescheut werden, hier und da nothwendige Verbesserungen anzubringen.

Die Bodenbilder sind auf weissem Schreibpapier gedruckt und das erste Eintragen vom Schüler dürfte am sichersten mit einem mittelweichen aber kein zu dunkeles Strichpulver absetzenden Bleistifte (etwa dem Wiener Blei „Faber Nr. 2. in schwarzem Holze”) geschehen. Ist eines der aufgegebenen Elemente in Blei eingezeichnet, alsdann werde es mit Tusch überzogen, bevor ein nächstes Element an die Reihe kommt.

Bei denjenigen Ländern, welche mit dem Meere in Berührung stehen, würde die Bezeichnung der feinen Küstencontur wohl passend vorangehen. Das Eintragen der Flüsse und Flussseen geschehe naturgemäss von der Quelle gegen die Mündung zu und gehe von den Hauptadern zu den Nebenadern über. Der Lehrer hat es hier, wie auch später, ganz in der Hand, die Fülle des Stoffes dem Standpunkte des Schülers oder dem Zwecke des Entwurfes anzupassen. Nachdem der Boden mit dem Fliessenden benetzt ist, könnten die Wohnplätze und nach ihnen Strassen, Canäle, Staatsgrenzen etc. eingetragen werden, und der Schüler wird von einer Stufe zur anderen das Landesbild vervollständigt und bei richtiger Anleitung die allmählige Entwickelung der belebten Natur sich unwillkürlich entfalten sehen. Ein jeder Lehrer wird diese und jene praktische Hilfen geben, welche auf Herstellung eines reinen deutlichen Bildes abzielen, wohin z. B. ein verschiedenfarbiges Anlegen der einzelnen Elemente, als Flüsse blau, Städte roth u. s. w., passende Namenabkürzungen oder auch gänzliche Befreiung von der Schrift u. dergl. gehört. Für die ersten Versuche möchte es angemessen erscheinen, das Vervollständigen der Bodenkarten unter unmittelbarer Vorlage ausgeführter Karten vornehmen zu lassen, und erst dem weiter vorgeschrittenen Schüler möchte ein freies Einzeichnen ohne alle Vorlage angemuthet werden können. Wie die Bodenkarten Gelegenheit liefern, durch eigene Thätigkeit des Schülers ein Landesbild in seinen verschiedenen Facen allmählich entstehen zu lassen, so geben sie auch ein vortreffliches Repetitions- und Prüfungsmittel ab, und vorzugsweise dürfte es sich bei solcher Anwendung klar herausstellen, ob der Schüler sich daran gewöhnt hat, den Kartenstoff sich denkend zum Eigenthum zu machen, oder ob er sich in die Reihe einer mechanischen Lesemaschine gestellt hat.

Eine für die Geographie als Schulwissenschaft hoch verdiente Stimme in Wien hat mit solchem Eifer auf die Herausgabe des vorliegenden Atlas’ gedrungen, dass ich kaum an dem praktischen Erfolge seiner Anwendung zweifeln möchte; dennoch wäre es möglich, dass sich diese oder jene Bedenknisse ergäben und vielleicht nur kleine Aenderungen noth wären, um die neue Idee auch von praktischem Erfolge gekrönt zu sehen. Stets gewillt, einen wirklichen Nutzen zu stiften, spreche ich daher schliesslich an alle Führer und Freunde der Schule die Bitte aus: dem orographischen Atlas ihre Beachtung nicht zu versagen, seine Nutzanwendung zu prüfen, vor einem ersten missglückten Versuche nicht zurück zu schrecken und mich unmittelbar oder mittelbar wissen zu lassen, ob der gute Wille, der Schule einen neuen Dienst zu leisten, des schönen Lohnes der Bejahung sich freuen kann.

Berlin, Februar 1855.

E. von Sydow.




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