Armin Wolf,
100 Jahre Putzger – 100 Jahre Geschichtsbild in Deutschland
(1877-1977)

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Hierin worden de verschillende uitgaven van Putzger's Historischer Schul-Atlas besproken.




Armin Wolf,
100 Jahre Putzger – 100 Jahre Geschichtsbild in Deutschland
(1877-1977)

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p. 702

Armin Wolf

100 Jahre Putzger – 100 Jahre Geschichtsbild in Deutschland (1877-1977) 1

Vor genau 100 Jahren, 1877, erschien im Verlag von Velhagen und Klasing zu Biele-
feld und Leipzig, erstmals „F[riedrich] W[ilhelm] Putzger’s Historischer Schul-Atlas
zur alten, mittleren und neuen Geschichte“.

Nach dem Vorwort der ersten Auflage schränkte „der hohe Preis der vorhandenen
besseren Geschichtsatlanten ... bisher den Gebrauch auf bemitteltere Schüler ein“.
Ziel der Verlagshandlung war es, den neuen Atlas „für ein Drittel oder Viertel der bis-
herigen Preise“ zu liefern, damit „jeder Schüler ohne Ausnahme einen Geschichtsatlas
besitzen könnte, am besten einen solchen, dessen Inhalt für den Gebrauch von den un-
teren bis zur obersten Klasse ausreichte“ 2. Das Ziel war also gleichzeitig ein soziales
und das einer Umsatzsteigerung. Der Atlas kostete 1877 „1½ Mark“.

Er war und ist ein historischer Schulatlas in zweifacher Hinsicht: zum einen, insofern er
Geschichte kartographisch darstellt, und zum anderen, insofern er in 100 Jahren bis
heute 98 Auflagen erreichte und damit wie wohl kein anderer Geschichtsatlas das Ge-
schichtsbild in Deutschland, zum Teil auch darüber hinaus 3, beeinflußte.

Das Geschichtsbild von historischen Atlanten wird am deutlichsten im Vergleich er-
kennbar. So ist es möglich, Kartenauswahl und -darstellung in Geschichtsatlanten aus
verschiedenen Ländern miteinander zu vergleichen 4. Ebenso erhellend ist es aber auch,
einen Vergleich zwischen den Ausgaben eines Atlas im Laufe verschiedener Zeiten vor-
zunehmen. So wie dort die Brechung der Geschichte im Geschichtsbild verschiedener
Länder zur gleichen Zeit Gegenstand wird, so hier die Brechung der Geschichte im
Geschichtsbild eines Landes zu verschiedenen Zeiten.

Wegen der langen Zeit seines Erscheinens und der hohen Zahl seiner Auflagen eignet
sich Putzgers Historischer Schulatlas für einen solchen Vergleich besser als irgend ein
anderer Geschichtsatlas. Nach überschlägiger Rechnung enthalten die 98 deutschen
Auflagen des Putzger insgesamt gut 20 000 Haupt- und Nebenkarten. Daher können
hier nur beispielhafte Vergleiche vorgenommen werden. Die Beispiele werden über-
wiegend aus dem Bereich der Geschichte Deutschlands und der deutschen Länder ge-
wählt sein. Dementsprechend stehen die Epochen seit der Völkerwanderung im Vor-
dergrund, während die Karten zur alten Geschichte zurücktreten. Die Vergleiche er-
strecken sich in zwei Richtungen:


(A) Welche Kartenthemen blieben in den 100 Jahren gleich?
(B) Welche wesentlichen Veränderungen an Kartenauswahl und -inhalt wurden in den
100 Jahren vorgenommen?


(A)
Der erste Putzger von 1877 enthält 27 Haupt- und 48 Nebenkarten, insgesamt also 75


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Karten. Sie behandeln zu ungefähr gleichen Teilen alte, mittlere und neuere Geschich-
te. Von den 17 ganzseitigen Hauptkarten für die Zeit seit der Völkerwanderung haben
15 Kartenthemen das Jahrhundert von 1877 bis 1977 – mit mehr oder weniger Ver-
besserungen in der Ausführung – überdauert. Es sind dies eine Karte zur Weltge-
schichte: Das Zeitalter der Entdeckungen (18); drei Karten zur außereuropäischen Ge-
schichte: Reich der Chalifen im 9. Jahrhundert (14), Entwicklung der Vereinigten Staaten
(26), Entwicklung des russischen Reiches (27); sieben Karten zur Geschichte Europas:
Europa am Ende der Völkerwanderung (11), Süd- und Westeuropa zur Zeit der Karolin-
ger
(12), Die östlichen Mittelmeerländer zur Zeit des 1. Kreuzzuges (15), Süd- und West-
europa zur Zeit der Hohenstaufen
(16), Europa in der Mitte des 16. Jahrhunderts (19), Eu-
ropa im 18. Jahrhundert
(22), Europa zur Zeit der größten Machtentfaltung Napoleons I.
(23) und vier Karten zur Geschichte Deutschlands: Deutschland zur Zeit der sächsischen
und fränkischen Kaiser
(13), Deutschland zur Reformationszeit (20), Deutschland im 17.
Jahrhundert
(21), Deutschland von 1815 bis 1871 (24). Wir bemerken also ein Überge-
wicht der europäischen Geschichte gegenüber der außereuropäischen, aber auch ein
Übergewicht der europäischen Geschichte gegenüber der deutschen. Im Laufe des
Jahrhunderts weggefallen sind von den 17 Hauptkarten der ersten Auflage lediglich
zwei Karten: Europa am Ende des 15. Jahrhunderts (17) und Die historische Entwicklung
des brandenburgisch-preußischen Staates
(25). Die erste Karte wurde schon in den acht-
ziger Jahren durch eine Karte Deutschlands zur Zeit Karls IV. ersetzt, die dann bis
heute beibehalten wurde. Die Karte zur Entwicklung Preußens wurde in der Auflage
von 1888 und dann nochmals in der Auflage von 1896 zu einer Kartenserie erweitert,
die bis in den Zweiten Weltkrieg hinein beibehalten wurde. Seit dem Untergang Preu-
ßens durch Beschluß des Kontrollrates von 1945 fiel diese landesgeschichtliche Karte
fort.

Die oben genannten fünfzehn Hauptkartenthemen der Auflage von 1877, die als ein
Kernbestand ein Jahrhundert überdauerten, finden sich übrigens nicht nur in den 98
Auflagen des Putzger, sondern zu einem großen Teil auch in anderen deutschen und
ausländischen Geschichtsatlanten. Diese Tatsache beleuchtet die erhebliche Wirkung,
die der Putzger auf das Geschichtsbild der letzten 100 Jahre ausgeübt hat. Ob der Ka-
non der genannten 15 Kartenthemen die wichtigsten Epochen der deutschen und euro-
päischen Geschichte repräsentiert, sei hier nur als Frage gestellt 5.

Wie sehr eine Geschichtskarte ein Dokument nicht nur für die dargestellte Zeit, son-
dern auch für die darstellende Zeit ist, sei an einem Beispiel aus diesem Kartenkanon
gezeigt, an der Karte Deutschland im 17. Jahrhundert (21) aus dem ersten Putzger von
1877. Farblich kräftiger und mit einigen inhaltlichen Modifikationen findet sich die
gleiche Karte unter dem Titel Mitteleuropa nach dem 30jährigen Krieg (1648) in der
neuesten Auflage (82/83). Diese Karte, die übrigens auch in die amerikanische Ausga-
be des Putzger aufgenommen wurde, hat als ‚bunter Flickenteppich der unseligen deut-
schen Kleinstaaterei‘ das Geschichtsbild von Generationen deutscher Schulkinder und
Erwachsener geprägt. Daher lohnt es sich, einmal zu fragen, wo eigentlich der histori-
sche Ort dieser Karte ist. Andere historische Schul-Atlanten jener Zeit, insbesondere
österreichische Werke, stellten Deutschland zur Zeit des 30jährigen Krieges nicht so
sehr als ‚bunten Flickenteppich‘, sondern nur mit einigen wenigen Farben für die wich-
tigsten Territorien dar 6. Demgegenüber konnte die 1877 geschaffene Putzger-Karte


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mit der extremen Darstellung der ‚Kleinstaaterei‘ nach dem 30jährigen Krieg den Auf-
stieg des brandenburgisch-preußischen Staates, die schließliche Verdrängung Öster-
reichs aus dem Reich und die Einigung des Deutschen Reiches 1871 unter der Vor-
macht Preußens legitimieren.

Noch im Jahre 1850 wurde in einem Geschichtsatlas „Deutschland während des 30jäh-
rigen Krieges“ in anderer Weise dargestellt 7. Hier standen nur fünf Farbkomplexe ei-
nander gegenüber, die in der Legende auf folgende Weise definiert wurden: katholi-
sche geistliche Länder, katholische weltliche Länder, protestantische Länder, saeculari-
sierte geistliche Länder und paritätische Länder. Der Eindruck der Karte ist natürlich
ein völlig anderer als beim Putzger. Inhaltlich macht die Karte weniger die territoriale
Zersplitterung deutlich als eine Art kirchenrechtlichen Prozeß.

Die zeitgenössischen Atlanten des 17. und 18. Jahrhunderts stellten dagegen die deut-
schen Territorien nach dem 30jährigen Krieg noch anders dar: Gesamtkarten des rö-
misch-deutschen Reiches zeigten dieses nicht in die einzelnen Territorien aufgespalten
sondern in der Regel in seinen Reichskreisen. Die kleineren Territorien wurden nicht
auf der Gesamtkarte des Reiches, sondern auf Spezialkarten einzelner Reichskreise be-
rücksichtigt. Für das Bewußtsein der Zeit bestand das Reich also offenbar nicht aus
Hunderten kleiner und kleinster Territorien, sondern aus zehn Reichskreisen, in denen
jeweils eine größere oder kleinere Zahl von Territorien zusammengeschlossen waren.
Der Eindruck ist hier der einer föderalistischen Struktur des Reiches, wobei lediglich
fünf Reichskreise (Franken, Schwaben, Oberrhein, Westfalen, Niedersachsen) territo-
rial stärker gegliedert erscheinen und die anderen fünf Reichskreise, in denen kaiserli-
che und kurfürstliche Territorien zusammengeschlossen waren (Österrreich, Burgund,
Kurrhein, Baiern und Obersachsen), sowie das Reich insgesamt erheblich großflächi-
ger wirken 8.

Gegenüber dem Bewußtsein der Zeit selbst ist die uns geläufige, heute allgemein ver-
breitete Putzger-Karte Deutschlands um 1648 also in gewisser Weise anachronistisch.
Im angedeuteten Sinn ist sie mehr ein Dokument der Zeit der Bismarckschen Reichs-
gründung als eines des 17. Jahrhunderts.


(B)
Es dauerte einige Jahre, bis Putzgers Historischer Schul-Atlas sich durchsetzte. Die 2.
Auflage erschien zwei Jahre, die 4. Auflage erst sechs Jahre nach der Erstausgabe.
Dann aber dauerte es nur noch vier Jahre, bis die nächsten neun Auflagen herauska-
men. Inhaltlich erfuhren die Ausgaben von 1877 bis 1887 nur kleinere Änderungen.
Der Umfang erweiterte sich von 75 auf insgesamt 83 Karten: unter anderem wurden
zwei Karten Deutschlands im 14. Jahrhundert und im 18. Jahrhundert hinzugefügt.

Die 14. Auflage von 1888 brachte die erste größere Umarbeitung des Putzger. Sie
konnte auf dem zwei Jahre zuvor unter dem Namen Gustav Droysens im gleichen Ver-
lag erschienenen Allgemeinen Historischen Handatlas (im Folioformat) aufbauen. Der
umgearbeitete Putzger erhielt statt 83 jetzt 116 Haupt- und Nebenkarten. Die Karten
wurden in der Mitte gefaltet, so daß das bis heute übliche Format entstand. Die Erwei-
terungen kamen vor allem „der alten Geschichte zu Gute“ und „dann namentlich der
neuesten Zeit, auf deren Behandlung im Unterricht seit dem bezüglichen Erlasse des
Kultusministers von Gossler immer mehr Nachdruck als früher gelegt wird“ 9. Eine be-


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merkenswerte Erweiterung erfuhr dabei die Darstellung der „Entwicklung Preußens“.
Bisher auf nur einer Karte dargestellt, wurde sie nunmehr auf drei Karten ausgebreitet.
In der 19. Auflage von 1893/94 fügte man entsprechende Karten zur Geschichte Bay-
erns, Badens, Württembergs und der Wettinischen Lande hinzu. Zunächst hatten diese
Karten nur den für die Schulen des betreffenden Landes bestimmten Exemplaren des
Atlas beigegeben werden sollen. Da diese Karten indes „ein Bild der ... deutschen
Kleinstaaterei jener Tage bieten, und eine solche durch einen Blick leicht vermittelte
Anschauung gewiß auch außerhalb jener Länder willkommen ist, so sind alle vier Kar-
ten dem Atlas als Anhang hinzugefügt. Wir (die Verlagshandlung) glaubten damit auch
der immer wachsenden Bedeutung zu entsprechen, die die neueste Geschichte in den
Schulen gewinnt“. Als man jedoch merkte, daß damit „die Territorien Süddeutsch-
lands eingehender dargestellt (waren) als die Norddeutschlands“ erhielt die Ausgabe
von 1896 an Stelle der drei kleinen Karten zur „Entwicklung Preußens“ zwei Klapp-
karten im Großformat, und die Ausgabe von 1897 eine Karte „Nordwestdeutschland
1789“, „wo eine ähnliche territoriale Zerrissenheit wie im Süden bestand“ 10. Wie diese
Zitate aus dem Vorwort von 1900 zeigen, sollten die landesgeschichtlichen Karten also
nicht einem landsmannschaftlichen Bewußtsein dienen, sondern dem Nachweis der
„Kleinstaaterei“ und der „territorialen Zerrissenheit“ vor der Reichsgründung. Die
Kartenserie wurde später noch um Karten „Mecklenburgische Lande“ (1931) und
„Zur Geschichte Osterreichs“ (1934) ergänzt und bis in die Auflagen während des
Zweiten Weltkrieges beibehalten, dann aber fortgelassen. Kurioserweise haben sich je-
doch zwei dieser Karten in der amerikanischen Ausgabe unter dem Titel „Typical Ger-
man States before and since the French Revolution. I. Baden. II. Wurtemberg“ auch
über den Zweiten Weltkrieg hinweggerettet (142, 143).

Eine bekannte Karte, die „Völkerkarte von Mittel- und Südosteuropa“, wurde erst-
mals in der Ausgabe von 1900 aufgenommen (28 a). Diese Karte, die zweifellos das
Geschichtsbild zweier Weltkriegsgenerationen entscheidend mitprägte, indem sie Ab-
weichungen von Staats- und Volksgrenzen anschaulich machte, findet sich bis zur
neuesten Auflage, seit 1961 aber nicht mehr als „Völkerkarte“, sondern unter dem Ti-
tel „Sprachen Mittel-, Ost- und Südosteuropas um 1910“ (101).


Die zweite erheblich erweiterte Umarbeitung des Putzger ist die 25. Auflage von 1901.
Die Anzahl der Karten stieg von 139 auf 234. Um den Band nicht dicker zu machen,
Wurden seit dieser Auflage auch die Rückseiten der Karten bedruckt. „Was nun den
Inhalt halt der neuen Karten betrifft“, so war der Verlag bemüht, „... das historische Ge-
sichtsfeld über die politische Geschichte, die natürlich die Hauptsache bleibt, und über
Deutschland und Europa hinaus, soweit beides für die Schule möglich ist, zu erwei-
tern“ 11. Neu war 1901 die bekannte Karte „Ostdeutsche Kolonisation“ (15 a). Ein
Leckerbissen der Geschichtsbildforschung in der historischen Kartographie ist eine
kleine Änderung der Auflage von 1901 an der Karte „Deutschland im 18. Jahrhundert“
(24). Als diese Karte 1879/87 neu eingeführt wurde, stellte sie das Herzogtum Schle-
sien nicht wie die Mark Brandenburg (in Flächenfärbung), sondern ebenso wie das Kö-
nigreich Preußen (in Randfärbung) und damit als außerhalb der Reichsgrenze
dar. Diese Darstellung entsprach der Auffassung Friedrichs des Großen, der sich in den
Schlesischen Kriegen darauf berief, daß die schlesischen Herzogtümer souverän seien.


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Da die schlesischen Herzogtümer ihm als erstem nach dem Tode Kaiser Karls VI. ge-
huldigt hätten, sei er ihr souveräner Herr. Erst in den Putzger-Auflagen ab 1901 wird
in der uns geläufigen Weise Schlesien nicht mehr so wie Preußen, sondern so wie Bran-
denburg, also als Reichsgebiet, dargestellt. Diese kleine, aber schwerwiegende Ände-
rung von 1901 bedeutet einen Übergang von einem preußischen zu einem deutschen
Geschichtsbewußtsein

Im Jahre 1901 neu war eine Kartenserie. „Die großen Fürstenhäuser“. Sie ist landesge-
schichtlich interessant und stellt zusätzlich zu den schon bisher berücksichtigten Besit-
zungen der habsburgischen und luxemburgischen Königshäuser nun auf Spezialkarten
die Besitzungen auch der Askanier, Wettiner und Wittelsbacher im 13. und 14. Jahr-
hundert dar (18 b, 19 a, 19 b). Eine andere Kartenserie mit dem Titel „Zusammen-
schluß der deutschen Staaten zum Reiche“ stellte die Länder des Zollvereins, des
Norddeutschen Bundes und dann des Deutschen Reiches dar. Sie gab dabei auch eine
Übersicht der bis zum 1. Januar 1900 also vor der rechtsvereinheitlichenden Einfüh-
rung des Bürgerlichen Gesetzbuches im Deutschen Reiche geltenden Zivilrechte
(28 b, 29 a).

Im Jahre 1901 neu waren ferner „die Kolonialkarten, die . . . seit dem Eintritt Deutsch-
lands in die Reihe der Kolonialmächte gewiß auch in den Schulen erwünscht sind“ 12,
Eine dieser Karten stellt die „Aufteilung Afrikas“ dar (40 b). Mit gewissen, z. T. be-
zeichnenden Änderungen und Verbesserungen blieb diese Karte in allen Auflagen bis
heute erhalten.

Ebenfalls neu war die Karte „Vorschreiten Frankreichs nach Osten“ (21 b). Sie
wurde im Laufe der Jahre optisch noch eindrucksvoller gestaltet, fiel aber nach dem
Zweiten Weltkrieg zunächst weg. In der Auflage seit 1961 war sie dann wieder da; sie
wurde dabei in mehreren Details (Savoyen, Charolais, Elsaß, Réunionen) verbessert
und – im Zuge der neuen deutsch-französischen Freundschaft – durch Einzeichnung
der romanisch-germanischen Sprachgrenze in ihrer ursprünglichen Aussage relativiert.
Auch die Überschrift ist jetzt neutral. Heute heißt die Karte, die bis nach Amerika und
Japan gewirkt hat: „Entwicklung der franz. Ostgrenze 1493 bis 1801“ (81). Neu waren
1901 auch zahlreiche Karten von Kriegsschauplätzen und Schlachtenpläne von Hanni-
bals Alpenübergang bis zu den Feldzügen von 1866 (9 b, 30 a). Zwei Kartenserien mit
den Titeln „Kriegszusammenhänge“ und „Die großen Friedensschlüsse“ blieben bis
zur Ausgabe von 1929 erhalten und fielen seit 1931 weg. Sie waren methodisch zwar
originell, aber nicht ganz befriedigend (22 a, b, 23 a, b, 25 b, 26 a, b).

Die Ausgabe von 1901 erschien – außer 1912 – bis zum Ersten Weltkrieg jährlich in
einer neuen Auflage, jeweils nur mit kleinen Nachbesserungen. Sehr wenige Karten ka-
men in dieser Zeit neu hinzu, z. B. 1906 zwei Karten „Varusschlacht“ und „Feldzüge
des Germanicus“ (12 a) und 1913, als der Karte „Vorschreiten Frankreichs nach
Osten“ eine Karte mit dem Titel „Die elsässischen und lothringischen Territorien um
1648“ gegenübergestellt wurde (22 a). Der Atlas kostete 1911 ungebunden 2,30, ge-
bunden 3 Mark.


Nach dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges erschien der Putzger im Jahre 1915 gar
nicht. Die 38. Auflage kam 1916 mit größeren Umgestaltungen heraus. In dieser
Kriegsausgabe wurden auf dem Doppelblatt zur osteuropäischen Geschichte die Tei-


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lungen Polens nur noch auf einer kleineren Karte dargestellt, während dem Anwachsen
Rußlands von 1462 bis 1762 nunmehr eine wirkungsvollere größere Karte gewidmet
wurde (25). Ein Anhang von vier Doppelseiten brachte Spezialkarten zu den Frontver-
läufen im Ersten Weltkrieg. Die deutschen Vormarschlinien in Frankreich wurden hier
durch dünne blaue Pfeile dargestellt (42 a).

In der Ausgabe von 1917 wurden diese Pfeile dicker und eindrücklicher (41). Dicker
wurde auch der ganze Atlas. Durch eine umfangreiche Erweiterung des Kartenanhangs
zum Verlauf des Weltkrieges wuchs die Zahl der Karten von 285 auf 322! Der Atlas
kostete jetzt drei Mark ungebunden, 3,60 Mark mit „Kriegseinband“.

Die zwei Auflagen, die 1918 erschienen, blieben gegenüber der Auflage von 1917 fast
unverändert. Nur zwei neue Karten sind zu nennen: „Westlicher Kriegsschauplatz IV“
mit einer Darstellung der sogenannten Siegfried-Stellung und eine „Übersichtskarte
der Erde zum Weltkrieg 1914 1918“, die angesichts der kleinen als „Freundliche Ge-
biete“ und der riesigen als „Feindliche Gebiete“ gekennzeichneten Länder die Schwie-
rigkeit, wenn nicht gar Aussichtslosigkeit der deutschen Situation im letzten Kriegsjahr
vor Augen führt (58, vgl. 1916, 41 a). Im Revolutionsjahr 1919 erschien der Putzger
nicht.

Die 42. Auflage von 1920 reduzierte die Karten zum Weltkrieg von achtzehn auf nur
noch acht Seiten, blieb aber im übrigen unverändert. Sie und die ihr gleichende 43.
Auflage von 1922 umfaßten jetzt statt insgesamt 324 nur noch 290 Haupt- und Neben-
karten. Es waren offensichtlich Notausgaben der ersten Nachkriegszeit.

Eine einschneidende Veränderung brachte die Ausgabe von 1923. Wie deren Vorwort
ausführt, handelte es sich um eine „tiefgreifende Umgestaltung“. So „mußte eine An-
zahl von Kartenbildern, die früher nötiger erschienen als jetzt, ausgeschaltet werden.
Dahin gehören vor allem zahlreiche Schlachtenpläne ... Dafür sind aber eine größere
Anzahl von Karten zur Kultur- und Geistesgeschichte neu hinzugetreten, ... Karten
über die Verbreitung der Rassen, Völker und Sprachen, der Religionen, die Darstel-
lungen zur Erdkenntnis, Forschungs- und Entdeckungsgeschichte, der Siedlungen und
Wanderungen, von Produktion und Verkehr, der politischen Organisation usw.“ 13

An die Stelle der traditionellen Gliederung in Altertum, Mittelalter und Neuzeit trat ei-
ne Einteilung in „Geschichte des mittelmeerischen Kulturkreises“, „Ausbreitung des
mittelmeerischen Kulturkreises über die Erde" und einen dritten Abschnitt „Zur Ge-
schichte der deutschen Länder“. Während der erste Abschnitt wieder in Altertum, Mit-
telalter und Neuzeit unterteilt war, faßte der zweite Abschnitt die Karten zur außereu-
ropäischen Geschichte zusammen; neu hinzugefügt wurde dabei eine Karte „Die neue
Völkerwanderung (16.-20. Jahrhundert)“ (136), die vor allem die Ausbreitung der
Europäer über weite Teile der Erde darstellt. Der dritte Abschnitt faßte die Karten zur
Geschichte der deutschen Länder, die Karten „Die großen Fürstenhäuser“ und eine
neue Karte zur Stadtentwicklung in einem landeshistorischen Teil zusammen.

Die Karten zum Weltkrieg wurden in der Auflage von 1923 noch einmal reduziert. An-
stelle von acht umfaßten sie jetzt nur noch fünf Seiten. Die 1917 eingeführte Karte
„Kolonialkämpfe“ (54) wurde durch eine entmilitarisierte Karte „Deutsche Schutzge-
biete 1884 bis 1914“ ersetzt (133). Ganz neu kamen hinzu Karten wie „Mittelalterliche
Handelswege in Europa“ (80) und „Religionen im 16. und 17. Jahrhundert“ (81). Sie
bezeugen ein neues Interesse an Wirtschaftsgeschichte und an Kirchengeschichte. Es ist


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bemerkenswert und nahezu unbegreiflich, daß bis zum Ersten Weltkrieg Geschichte
der Reformationszeit ohne Konfessionskarten behandelt wurde. Vier neue Karten zur
„Entwicklung europäischer Großstädte“ (146, 151), die das Wachstum von Berlin, Pa-
ris, Wien und London in gleichen Zeiträumen darstellen, sind Ausdruck einer moder-
nen Richtung in der Geschichtswissenschaft, der Historischen Landeskunde 14. Zwei
weitere neue Karten mit dem Obertitel „Staatliche Einrichtung des Deutschen Reiches
1871-1918“ stellten Erscheinungen des Verfassungsrechts dar (120). Die eine Karte
„Die Landtage der Bundesstaaten“ kartiert die verschiedenen Wahlrechte; sie ging be-
reits mit der Auflage von 1934 unter. Die andere Karte („Staatsformen“) wurde erst
nach dem Zweiten Weltkrieg fortgelassen.

Die Ausgaben von 1924 bis 1929 glichen einander. In dieser Zeit wurden lediglich zwei
neue Karten eingeführt, nämlich in der 47. Auflage von 1926 die Karten „Abtretungen
im Frieden von Versailles 1919“ und „Die Länder des Deutschen Reiches 1922“
(120 a). Die erstgenannte Karte wurde in der Auflage von 1934 unter dem Propaganda-
stischen Titel „Landverluste und Hoheitsbeschränkungen (Einige Beispiele der Knebe-
lung des Deutschen Reiches durch das Diktat von Versailles)“ erheblich verändert
(118). In den ersten Auflagen nach dem Zweiten Weltkrieg fiel sie weg; seit 1961 er-
schien sie unter dem neutralen Titel „Mitteleuropa nach dem Ersten Weltkrieg“ in ei-
ner dritten Bearbeitung wieder neu (120).


Eine erhebliche Neugestaltung erfuhr dann die „50. Jubiläumsauflage“ von 1931. De-
ren neue Karten entsprachen laut Vorwort „den Forderungen der Zeit“. Das Vorwort
von 1931 begann: „Wertung und Behandlung vieler Stoffgebiete der Geschichte haben
sich im letzten Jahrzehnt wesentlich geändert ... manche Neuerung unseres Karten-
werkes ist gerade mit Rücksicht auf Methodik und Didaktik des modernen Geschichts-
unterrichts getroffen worden.“

Zur neuen Methodik gehörte es u. a., Karten „mit sinnfälligen Abgrenzungen, Pfeilen,
Verbindungslinien u. dgl. (zu) versehen, um die Eigentätigkeit des Schülers anzuregen
und Fortgeschritteneren alte Ideenverbindungen ins Gedächtnis zurückzurufen“. Vor
allem war es laut Vorwort das Bestreben, „eine Zusammenschau aller menschlichen
Lebensäußerungen“ zu fördern. Dabei war es eines der Ziele, „den Zusammenhang
des geographischen Kartenbildes mit dem historischen und damit die Wechselwirkung
zwischen Erdraum und Menschenschicksal erkennen“ zu lassen. Hier werden Wirkun-
gen der seinerzeit viel diskutierten Geopolitik sichtbar. Die Seite „Geopolitische Lage
Deutschlands“ wurde nicht in der nächsten Auflage von 1934, sondern hier in der Aus-
gabe von 1931 eingeführt. Unter dem genannten Obertitel standen zwei neue Karten.
Die eine kartierte mit einigen Dutzend Pfeilen „Angriffe auf deutschen Volksboden“
von 450 bis 1919; dabei galt u. a. auch der französisch-staufische Sieg über die eng-
lisch-welfische Partei von 1214 als ein solcher Angriff. Angriffe von Deutschland aus
auf andere Länder enthielt die Karte jedoch nicht. Die andere Karte hieß „Die Mäch-
tegruppen vor dem Weltkrieg 1914“ und stellte die Achse Berlin-Wien umzingelt von
einem Bündnis London-Brüssel-Paris-Rom-Cetinje-Belgrad-Bukarest-St.
Petersburg dar (114).

In stärkerem Maße als in früheren Auflagen hob die Ausgabe von 1931 das Attribut
deutsch‘ hervor. Im Vorwort sprachen Herausgeber und Verlag den Wunsch aus, die


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Jubiläumsauflage möge „dazu beitragen, den historischen Sinn unseres Volkes zu bil-
den und damit am Wiederaufstieg unseres Vaterlandes mitzuarbeiten“. Zwei Karten
über „Das Deutschtum“ in der Welt und „Deutscher Volks- und Kulturboden“ in Eu-
ropa, wobei die ehemalige österreichisch-ungarische Monarchie sowie Lettland und
Estland als „deutscher Kulturboden“, Polen, Litauen, Westrußland, die Westukraine
und Rumänien als „Gebiete der deutschen Verkehrssprache im Osten“ kartiert wur-
den, stammen aus dem Putzger von 1931, nicht erst aus der Ausgabe von 1934 (134).
Selbst durchaus brauchbare Karten wie diejenigen zur Stadttopographie, zu ländlichen
Besiedlungsformen und zum Verkehrswesen standen unter Titeln wie „Zur Entwick-
lung der deutschen Stadt“ (140/141), „Zur Geschichte der deutschen Landschaft“
(139), „Zur Geschichte der deutschen Post“ (102). In diesem Zusammenhang ist auch
die neue Seite „Zur Vorgeschichte Mitteleuropas“ zu sehen (4), die mit drei Karten
zur Stein-, Bronze- und Eisenzeit den Karten zum mediterranen Altertum vorange-
stellt wurde, die bis dahin am Anfang standen. Aktuellen Bezug hatte die neue Karte
„Die Rheinlande 1918-1930“ (118).

Neben dieser betont nationalen Ausrichtung der Ausgabe von 1931 sind aber auch an-
dere Tendenzen spürbar. Dem Ersten Weltkrieg wurden nur noch drei Kartenseiten
gewidmet (115-117). Wohl als eine Anerkennung des Friedens von Versailles ist es zu
verstehen, wenn die Karten „Deutsche Schutzgebiete 1884 bis 1914“ und „Die elsässi-
schen und lothringischen Territorien um 1648“ jetzt wegfielen. Eine neugeschaffene
Karte „Der Völkerbund“ kam stattdessen hinzu (135). Neu waren ferner zwei „Völ-
kerkarten der Erde 1500 und 1900“ (122) sowie eine Kolonial- und Weltverkehrskar-
te“ mit zwei Nebenkarten über „Ursprung und Ausfuhrrichtung wichtiger Handelswa-
ren“ (136/137). Ein Wirken der Kulturkreislehre ist in den beiden Weltkarten „Die al-
ten Kulturmittelpunkte der Erde“ (2) und „Die Kulturkreise der Gegenwart“ (138) so-
wie in der Karte „Überwindung der Natur im westeuropäischen Kulturkreis“ (3) zu
sehen.

Während die ersten Auflagen des Putzger seit 1877 mit einer Karte „Die den Alten be-
kannte Welt“ begannen, die Auflagen seit 1888 mit einer Karte „Palästina“ und die
Auflagen seit 1923 mit einer „Wirtschaftskarte der Alten Welt“, ist die erste Karte der
Auflage von 1931 eine Klimagebietskarte der Welt mit dem Titel „Die natürlichen
Grundlagen der Weltgeschichte“ (1). In der Auflage von 1934 wurde diese Karte ver-
kleinert, um auf der ersten Seite eine neue Karte über „Ausbreitung germanischer Kul-
tur“ und „Verbreitung der indogermanischen Sprachen“ zusätzlich unterbringen zu
können.


Die 1934 erschienene 51. Auflage war die erste Ausgabe nach der nationalsozialisti-
schen Machtergreifung. Die Konzeption dieser Ausgabe und die darin vorgenomme-
nen Veränderungen lassen sich kaum besser als mit den Ausführungen ihres Vorwortes
selbst kennzeichnen:

„Trotz der Ungunst der Verhältnisse war es schon seit Jahren das Bestreben von Ver-
lag und Herausgebern des Putzgerschen Atlas, zu ihrem Teile an dem Kampfe gegen
die Schmach von Versailles und gegen die Kräfte der Zersetzung im Innern Deutsch-
lands beizutragen und die Erneuerung vorzubereiten. Eine Karte zur Vorgeschichte
Mitteleuropas erschien in der 50. Auflage 15, die Völkerkarten, welche das erste ge-


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schichtsbewußte Auftreten von Germanen und Kelten zeigen, wurden inhaltlich ver-
tieft 16, Karten zur Deutung der deutschen Landschaft und der deutschen Stadt wurden
aufgenommen 17 und der so wichtige Kampf um die Befreiung des Rheinlandes in einer
Sonderkarte 18 behandelt.

Der Umschwung in Deutschland 19 gestattete es nun, in der 51. Auflage des Putzger auf
diesen Anfängen weiterzubauen und rüstig vorwärtszuschreiten. Die Vorgeschichts-
karten bekamen vermehrten Inhalt 20, eine Rassenkarte, die schon bei früheren Ausga-
ben erwogen worden war, konnte trotz technischer Schwierigkeiten und inhaltlicher
Problematik gewagt werden 21. Der Wunsch nach einer vertieften Kenntnis vorn Ur-
sprung unseres Volkes führte zu dem Versuch einer Karte von der Entstehung der In-
dogermanen 22. Wertvoll mußten auch Kartenbilder sein, welche die Zeiten erfassen,
ehe christlich-römischer Geist germanisch-deutsche Eigenart umbog. Deshalb wurden
die Karten „Germanen und Römer“ 23 „Franken, Sachsen, Slawen“ 24 und „Haitha-
bu“ 25 neu aufgenommen und für zwei Kulturkarten (germanische Mythologie; Kultur-
mittelpunkte im frühen Mittelalter) 26 Raum geschaffen.

Ebenso wie für die Frühzeit unseres Volkes ist auch für die letzten Jahrzehnte die Ar-
beit an unserem Kartenmaterial kräftig vorangekommen. Soweit die Geschehnisse der
jüngsten Vergangenheit kartographisch überhaupt erfaßbar sind, sollte das heranwach-
sende Geschlecht die wahrhaft weltumstürzenden und welterneuernden Ereignisse
auch im Kartenbilde vor Augen geführt bekommen. Deshalb ist die Geschichte des
Weltkrieges, des Höhepunktes deutscher Wehrhaftigkeit und Opferfreudigkeit, durch
Hinzunahme mehrerer neuer Karten ausgebaut worden 27. Ferner haben der Kampf um
den deutschen Volksboden 28 sowie das Grenzland- und Auslandsdeutschtum noch grö-
ßere Berücksichtigung gefunden 29. Für die innere Politik sind besonders die Karten
von Wichtigkeit, welche das Ringen um die Seele des deutschen Menschen und die
endliche Begründung des Dritten Reiches veranschaulichen 30.

Alle diese neu aufgenommenen Karten zeigen, wie unser Atlas den Forderungen der
Gegenwart und damit zugleich der Besinnung auf deutsche Wesensart und Geisteshal-
tung Genüge tun will. Zusammen mit den geopolitischen 31 Karten, welche das bedeut-
same Hereinragen der Naturgesetzlichkeit in die Geschichte aufzeigen, und im Verein
mit schon in früheren Auflagen vermittelten Wirtschafts- und Kulturkarten werden sie
eine Zusammenschau aller menschlichen Lebensäußerungen fördern und einem tiefe-
ren Erfassen der historischen Zusammenhänge die Wege ebnen ...“ 32

Es gibt wohl wenige Texte, die die Abhängigkeit eines Schulgeschichtsbuches von vor-
herrschenden politischen Strömungen der Zeit so deutlich darlegen wie diese erste
Hälfte des Putzger-Vorwortes von 1934. Bemerkenswert ist aber neben der Betonung
der Kontinuität zur voraufgehenden Auflage und der Berufung auf die „Forderungen
der Gegenwart“ immerhin wenigstens an zwei Stellen auch eine gewisse Reserve ge-
genüber diesen Forderungen, wenn nämlich bei der Rassenkarte von technischen
Schwierigkeiten und inhaltlicher Problematik und bei der Karte zur Entstehung der In-
dogermanen nur von einem Versuch gesprochen wird. Beide Karten fielen schon nach
drei oder vier Jahren wieder fort 33. Der volltönende Anspruch des Vorwortes ging üb-
rigens an mehreren Stellen über die im Kartenteil tatsächlich vorgenommenen Verän-
derungen hinaus 34. Zu den Karten, die in der Auflage von 1934 wegfielen, gehören: die
vor 1900 in Deutschland geltenden Zivilrechte (1901: 29 a), „Völkerkarten der Erde


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1500 und 1900“, „Der Völkerbund“ und „Die Kulturkreise der Gegenwart“ (1931:
122, 135, 138).

Bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges folgten die Ausgaben des Putzger im wesentli-
chen der Auflage von 1934. Größere Veränderungen erfuhr lediglich die Vorgeschich-
te. So begannen die Ausgaben seit der 54. Auflage von 1937 mit vier völlig neuen Sei-
ten. Die erste trug den Gesamttitel „Das deutsche Geschichtsbild“. Hier wurde unter
anderem dem als „alt“ bezeichneten Geschichtsbild „Ex oriente lux“, nach dem aus
dem Zweistromland und Ägypten städtische Zivilisation nach Europa kam, ein „neues
Geschichtsbild“ als „Ergebnis vorgeschichtlicher Tatsachenforschung“ gegenüberge-
stellt, das Deutschland als „Herz Europas“ und „Ausgangsland von Bauernvölkern
nordischer Rasse“ über fast ganz Europa zeigte. Auch die Titel der anderen neuen
Karten wie „Das ewige Deutschland – Raumzeittafel“ und „Der Ausgriff nordischer
Rasse und Kultur über die Erde. Dargestellt durch die Verbreitung indogermanischer
und germanischer Sprachen“ (1), „Die Landnahme nordisch-indogermanischer Bau-
ernvölker zur Jungsteinzeit 4000-1800“ (3) und „Die germanische Landnahme bis
zum Hunneneinfall 375“ (45) sprechen für sich selbst. Im Unterschied zu sonst anony-
men Karten des Putzger sind diese Karten übrigens ausnahmsweise namentlich ge-
zeichnet. Es kann sein, daß darin eine gewisse Distanzierung des Verlages lag.


Während der Spiegel, den diese Karten vom damals vorherrschenden Geschichtsbild
liefern, gleichsam von grellem Licht beschienen ist, gibt es einige in ihrer Winzigkeit
kaum auffallende Abweichungen in den Auflagen zwischen 1934 und 1942, die jedoch
um so interessanter sind, als sie Änderungen in der herrschenden Lehre kennzeichnen.
So fiel auf der 1934 eingeführten Seite „Zur Geschichte des ‚Korridors‘“ seit 1937 die
Nebenkarte „Bevölkerungskarte des ,Polnischen Korridors‘ 1910“ ersatzlos fort (121).
Im Jahr 1934 sollte die Karte darauf hinweisen, wie viele Deutschsprechende es im
Korridor gab; schon 1937 war es aber offenbar inopportun, gleichzeitig darauf hinzu-
weisen, wie viele Nicht-Deutschsprechende dort lebten. Auf der ebenfalls 1934 einge-
führten Karte „Das Grenzlandsdeutschtum“ wurde auch ein Teil von Südtirol als
„Deutscher Sprachboden“ bezeichnet, in der Auflage von 1939 jedoch – zweifellos
mit Rücksicht auf den italienischen Verbündeten – nicht mehr (123), obwohl gleich-
zeitig ganz ungeniert z. B. Belgrad und Lettland ebenso wie die Niederlande und Flan-
dern weiterhin als „Deutscher Kulturboden“ gekennzeichnet wurden. Die 1937 einge-
führte Nebenkarte „Deutschland, der Schutzwall europäischer Kultur gegen asiatische
Überfremdung“ fehlte – etwa aus Rücksicht auf Magyaren und Türken? – in der
Auflage von 1942 (1). Auch die 1931 unter dem Titel „Das Deutschtum“ eingeführte
und seit 1934 „Das Auslandsdeutschtum“ bezeichnete Karte wurde – aus unbekann-
ten Gründen – in der Auflage von 1942 weggelassen. Sie machte einer neuen Karte
mit dem Titel „Das Werden des Großdeutschen Reiches“ Platz (140).


Mit dem Zusammenbruch dieses Reiches endeten für etwa ein Jahrzehnt auch die bis
dahin fast jährlich erschienenen Neuauflagen des Putzger 35. Nach Vorarbeiten, die be-
reits 1948 begannen, kam die erste Auflage nach dem Zweiten Weltkrieg – es war die
63. – im Jahre 1954 heraus. Laut Vorwort „verfolgten Herausgeber und Verlag zwei
Ziele: alle anerkannten Vorzüge des alten ,Putzger‘ sollten erhalten bleiben; neue wis-


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senschaftliche Erkenntnisse, veränderte Gesichtspunkte im modernen Geschichtsunter-
richt, Fortschritte in der kartographischen Darstellung und schließlich die seit 1945 so
grundlegend gewandelte gesamtpolitische Lage sollten so weit wie möglich berücksich-
tigt werden“.

Diese Nachkriegsausgabe enthielt statt zuvor 160 Seiten nur noch 144 Seiten. Neu
erarbeitet wurden einerseits die gesamte Vorgeschichte (1-12), dann natürlich die ak-
tuellen Karten Berlin (128), Österreich (129), Deutschland (130/131), Europa
(134/135) und die Welt (138/139) nach dem Zweiten Weltkrieg. Auf der Karte „Hei-
matvertriebene, Flüchtlinge und Zuwanderer in Deutschland und Österreich“ (132)
wurden die verschiedenen Teile des ehemaligen Deutschen Reiches, wie folgt, bezeich-
net (von Ost nach West:) „Dtsch. Geb. unt. sowj. Verw.“, „Deutsche Gebiete unter
poln. Verwaltung“, „Sowjetische Besatzungszone“, „West-Berlin“, „Schleswig-Hol.
stein“, „Hamburg“ usw. die einzelnen Bundesländer bis „Saar“. Eine Bezeichnung der
drei westlichen Besatzungszonen, der Bundesrepublik Deutschland, der DDR und
Ost-Berlins fehlte. Es ist unklar, welchem Zeitpunkt die eigenwillige Form der Benen-
nungen entsprechen sollte.

Wieder aufgenommen wurde eine – gegenüber der Auflage von 1931 neugestaltete
Karte zum Völkerbund (117/118). Neu waren Karten zur Montanunion, zum Atlan-
tikpakt und zu den Vereinten Nationen (133, 137), ferner Karten über Rohstoffe Eu-
ropas und der Erde, „Bevölkerungsentwicklung der Erde seit 1800“, „Stahlverbrauch,
Eisenbahnnetz und Mechanisierung der Landwirtschaft“, „Ernährung, Bekleidung
1951 und Bildungsstand“, „Volkseinkommen und Energieverbrauch 1951“ (105-107,
141-144).

Was den Hauptteil, d. h. die alte, mittlere und neuere Geschichte bis 1945 betrifft, so
enthielt die erste Nachkriegsauflage von 1954 kaum neue Karten. Der Hauptunter-
schied zu den früheren Auflagen liegt in den zahlreichen Karten, die nunmehr wegge-
lassen wurden. Selbstverständlich wurden alle Karten fortgelassen, die unter dem Ein-
fluß des Nationalsozialismus in den Auflagen seit 1934 neu im Putzger aufgenommen
worden waren. Es wurde aber auch nicht einfach die Auflage von 1931 oder 1926
nachgedruckt, sondern eine Art großen Aufräumens in der deutschen Geschichte vor-
genommen, die auch vor 1933 entstandene Karten beseitigte. Soweit die in der Zeit der
Weimarer Republik neuen Karten nicht schon – wie u. a. „Geopolitische Lage
Deutschlands“ und „Die Kulturkreise der Gegenwart“ – in den Auflagen zwischen
1934 und 1942 wieder entfernt worden waren, fielen nunmehr zusätzlich fort: Aus der
Auflage von 1931 „Die Rheinlande 1918-1930“ (118), „Zur Geschichte der deut-
schen Landschaft“ (139), „Zur Geschichte der deutschen Post“ (102) und „Kolonial-
und Weltverkehrskarte“ (136); aus der Auflage von 1923 die Karten „Mittelalterliche
Handelswege“ (80), „Kirchenspaltung“ und „Universitäten“ (72). Mit nur einer Aus-
nahme (113/114) entfielen alle Karten zum Ersten Weltkrieg. – Von den Karten, die
für die Ausgabe von 1901 erarbeitet worden und bis Ende des Zweiten Weltkrieges im
Putzger geblieben waren, erschienen in der Auflage von 1954 nunmehr entbehrlich: die
Kartenserie „Verbreitung der Religionen bei Beginn der Kreuzzüge“ (13 b), „Die gro-
ßen Fürstenhäuser“ (18 b, 19 a, b), „Frankreichs Vorschreiten nach Osten“ (21 b),
„Frankreichs, Rußlands und Englands Vorschreiten 1801-1812“ (26 a), „Befreiungs-
krieg I (1813) und II (1814)“ (27 b, 28 a) und „Kriegsschauplatz 1866“ (30 a). – Aus


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den Karten, die der Putzger seit der Auflage von 1888 gebracht hatte, wurden seit der
Ausgabe von 1954 nicht mehr aufgenommen: die Karten „Schlachtfelder von Ligny,
Quatre-Bras, Wavre (Waterloo), Belle-Alliance 1815“ (28) und die „Karten zu den
deutschen Einheitskriegen“ 1870-1871“ (29). – Es fehlen schließlich in der Neuaus-
gabe nach dem Zweiten Weltkrieg zwei Karten, deren Themen bereits seit der Erstau-
flage von 1877 ununterbrochen behandelt worden waren: die Völkerschlacht bei Leip-
zig 1813 (23) und die Teilungen Polens Ende des 18. Jahrhunderts (22). Daß gerade
dieses letztgenannte Thema nach dem Zweiten Weltkrieg gestrichen wurde, ist bemer-
kenswert. Die übrigen Streichungen sind zum größten Teil als Entnazifizierung,
Entmilitarisierung oder Entfeudalisierung zu verstehen. Daß 1954 auch die Karten zur
Geschichte der deutschen Länder – Preußens, Bayerns, Württembergs, Badens usw.
– wegfielen, ist angesichts des Föderalismus der Bundesrepublik Deutschland aller-
dings überraschend. Es ist nicht ohne Ironie, daß lediglich die Karte zur Geschichte
Österreichs, die als letzte der landeskundlichen Karten erst 1934 im Putzger aufge-
nommen worden war, unter dem Titel „Entwicklung Osterreichs (von 976 bis 1919)“
als einzige das Jahr 1945 überlebte (100) 36. Immerhin erhielt im Jahre 1955 Bayern eine
sechsseitige Beilage Karten zur bayerischen Geschichte, die aber gesondert zu bestellen
ist.

Im Februar 1954 wurde der Verlag Velhagen & Klasing an Franz Cornelsen verkauft.
Der Putzger erschien aber noch viele Jahre unter dem alten Verlagsnamen. Erst die 93.
Auflage erhielt die Verlagsbezeichnung Cornelsen-Velhagen & Klasing.

Die nächsten Auflagen bis 1960 brachten nur geringfügige Änderungen. So wurde auf
der Karte „Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg“, die in der Flächenfärbung das
Deutsche Reich in den Grenzen von 1937 darstellte und die Gebiete östlich der
,,Oder-Neiße-Linie“ als „unter poln. Verwaltung“ bzw. „unt. sowj. Verw.“ bezeichne-
te, seit der Ausgabe von 1956 der Kartentitel mit der Datierung „(1946)“ ergänzt und
nunmehr auch Danzig berücksichtigt (130/131).


Die bis heute letzte größere Umarbeitung ist die 80. Auflage, die unter dem geänderten
Buchtitel „Historischer Weltatlas“ als Jubiläumsausgabe anläßlich des 125jährigen Be-
stehens des Verlages Velhagen und Klasing im Jahre 1961 herauskam. Sie erhielt 146
Kartenseiten mit 190 Karten und kostete gebunden DM 12,80. Der „Leitgedanke bei
der Bearbeitung der Jubiläumsausgabe war“, wie das Vorwort darlegt, „die neuesten
Erkenntnisse der Geschichtswissenschaft, die methodischen Erfahrungen der Pädago-
gik und die Fortschritte der Kartentechnik zu nutzen, zugleich aber die anerkannten
Vorzüge des Putzger zu bewahren“. Insbesondere sollten zwei graphische Inhaltsüber-
sichten auf den Vorsatzblättern sowie Vor-, Rück- und Querverweise unter den einzel-
nen Karten „geschichtliche Zusammenhänge“ erschließen und „Entwicklungskarten“
die „Dynamik geschichtlicher Abläufe“ sichtbar machen. Ein großer Teil der „Karten
wurde „kulturgeschichtlichen Themen“ 37 etwa die Hälfte aller Karten der Zeit nach
1500 gewidmet. „Die geographischen Grundlagen der Geschichte“ wurden nicht nur
– wie auch schon in früheren Auflagen – durch Zeichnung eines zarten Reliefs in
vielen Karten berücksichtigt 38; es wurden, wie eine als Beigabe gedruckte „kurze Ein-
darlegt, nach Möglichkeit auch weitere „besondere geschichtsbildende Fak-
toren“ in die Karten eingearbeitet wie z. B. die Packeisgrenze (125), Erdölleider, Raf-


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finerien usw. (130, 136). Der Atlas gewann an Wissenschaftlichkeit dadurch, daß die
einzelnen Karten mit den Namen der jeweiligen Autoren signiert wurden und die Re-
daktion Rechenschaft über die Kriterien ihrer Kartenauswahl gab 39.

Unter den Karten, die in der Jubiläumsausgabe 1961 erstmals erschienen, sind die sechs
Karten zur Vor- und Frühgeschichte hervorzuheben. Sie bilden eine Kartenserie und
beschränken sich nicht mehr wie die erste Karte zur Vorgeschichte im Putzger von
1931 auf Mitteleuropa, sondern umfassen den ganzen Raum vom Zweistromland bis
Irland mit dem Mittelmeer als Zentrum, so daß diese Kartenserie jetzt bruchlos in die
Karten zur Geschichte des Alten Orients und der klassischen Antike übergeht (1-3).
An die Stelle der früher getrennten Karten zur Territorialgeschichte Preußens und
Österreichs trat jetzt eine Karte „Osterreich und Preußen bis 1795, Entstehung des
deutschen Dualismus“ (89). Neue Fragestellungen beantworteten die neuen Karten
,,Verfassungen im Deutschen Bund bis 1848 (98 I), „Bevölkerungsentwicklung Mittel-
europas 1870-1930“ (98 II), „Reichstagswahlen 1871-1912, Zentrumspartei – So-
zialdemokratische Partei“ (100). Der Erste Weltkrieg, aus den ersten Auflagen nach
1945 fast ganz verbannt, wurde wieder auf sechs Karten dargestellt; dabei waren die
vier instruktiven Karten zu den vier Kriegsjahren 1914/15, 1916, 1917 und 1918 neu
(118/119). Neu war auch eine Karte „Mitteleuropa nach dem Ersten Weltkrieg, Wei-
marer Republik“, in der auch die Rheinlandkarte aus der Auflage von 1931 eingearbei-
tet wurde (120). Die Zeit des Nationalsozialismus und des „Dritten Reiches“ wurde in
einer neuen Karte „Mitteleuropa von 1933 bis 1945“ berücksichtigt, die ebenso die
räumliche Organisation der NSDAP wie die Verbreitung der Konzentrationslager kar-
tographisch darstellt (121). Die Karte der historischen Teilungen Polens wurde erneut
aufgenommen und eindrucksvoll den modernen Teilungen Polens in einer neuen Karte
„Polen im 20. Jahrhundert“ gegenübergestellt (116). Die Karte „Flüchtlinge und Hei-
matvertriebene“ wurde gegenüber der Karte von 1954 präzisiert, blieb aber auf Deut-
sche beschränkt (140).

Von landesgeschichtlichem Interesse ist die 1967 erschienene, sechs Seiten umfassende,
getrennt gelieferte Beilage von Putzger-Karten zur Geschichte Baden-Württembergs. Sie
enthält u. a. zwei Karten über „Zähringer, Welfen und Staufer“, eine Karte „Konfes-
sionen um 1648 – Bauwerke des Barock“, die gewöhnlich getrennt kartierte Erschei-
nungen instruktiv in einem Kartenbild vereinigte, ferner eine große Karte „Südwest-
deutschland um 1789“, in der – entsprechend der Zusammenfügung von Württem-
berg, Hohenzollern und Baden zu einem Bundesland im Jahre 1952 – die altbekann-
ten Putzger-Karten „Württemberg 1789“ und „Baden 1771“ zusammengefügt, auf
den neuesten Forschungsstand gebracht und um Nachbargebiete erweitert wurden,
Eindrücklich ist die Karte „Die Revolution 1848/49“, bei der – methodisch nachah-
menswert – als Grundlage eine zeitgenössische Landkarte benutzt wurde.

Die Auflagen von Putzgers Historischem Weltatlas von der 80. Auflage der Jubiläums-
ausgabe von 1961 bis zur 98. Auflage des Jubiläumsjahres 1977 enthielten nur wenige
Änderungen. Einige bedeutsame Ergänzungen erfuhr die Karte „Mitteleuropa seit dem
Zweiten Weltkrieg“ (141). Sie ist jetzt auf die Jahre „1945-1960“ datiert. Die ameri-
kanische, französische und britische Zone erhielten die zusätzliche Bezeichnung „Bun-
desrepublik Deutschland seit 1949“, die sowjetische Zone erhielt entsprechend die Be-
zeichnung „Deutsche Demokratische Republik seit 1949“. „Deutschland und Danzig


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in den Grenzen von 1937“ werden im Osten nicht mehr farblich, sondern nur noch mit
einer schwarzen Linie gekennzeichnet, andererseits ist die Polnische Westgrenze jetzt
von Stettin bis zur Lausitzer Neiße gezogen worden. Bei Pommern, Schlesien und Ost-
preußen heißt es nicht mehr „unter poln. (bzw. sowj.) Verwaltung“ sondern „1945
poln. (bzw. sowj.) Verwaltung“. Aus „Berlin“ ist „Berlin (West) (Ost)“ geworden.
Die Linie des weitesten Vorrückens der britisch-amerikanischen Truppen (1945), die
1961 nur von Schwerin bis Plauen geführt wurde, ist jetzt über Eger und Pilsen in der
Tschechoslowakei bis nach Österreich hinein fortgezogen. Aus den „Zonenkontroll-
stellen“ sind „Kontrollstellen“ geworden. Auf der Karte „Europa nach dem Zweiten
Weltkrieg“ (138/139) hieß es 1961 „Sowjet-Zone („DDR“)“, jetzt „Deutsche Demo-
kratische Republik“ mit dem Zusatz „1953 Aufstand“. Die Ostgebiete des Deutschen
Reiches von 1937 haben nicht mehr die Flächenfärbung der deutschen Staaten, sondern
gerastert – die Polens bzw. der Sowjetunion. Wie man sieht, haben die Verträge
von Moskau, Warschau und Berlin auch die Karten, die Deutschland nach 1945 dar-
stellen, beeinflußt.




Putzgers Historischer Schul-Atlas sollte hier weder auf ein Ehrenmal erhoben noch auf
die Anklagebank gesetzt werden. Seine 98 Auflagen dienten als Dokumente deutscher
Geschichte der letzten 100 Jahre. Sie zeigen, wie Geschichtsatlanten von Geschichtsbil-
dern geprägt sind und ihrerseits Geschichtsbilder prägen können. Es fragt sich daher,
ob nicht die Konzeption von Geschichtsatlanten, die Auswahl von Kartenthemen und
deren Verwendung im Unterricht ein ebenso wichtiger Gegenstand wissenschaftlich
methodischen Bemühens sein sollte, wie es die genaue Erarbeitung historischer Karten
schon seit langem ist.




Anmerkungen

 1 Überarbeitete und gekürzte Fassung eines Vortrages, der am 30. April 1977 in Nürnberg auf
der Jahrestagung des Arbeitskreises für Historische Kartographie gehalten wurde. – Der Au-
tor ist kein Mitarbeiter am Putzgerschen Atlas oder des Verlages Cornelsen-Velhagen und
Klasing. Sein Antrieb zur Behandlung des Themas ist ein allgemeines Interesse an Geschichts-
atlanten und Problemen kartographischer Darstellung von historischen Erscheinungen.

 2 Putzger, 1. Auflage (1877), Vorwort.

 3 Deutschsprachige Ausgaben des Putzger für Österreich erschienen seit 1877, für die Schweiz
seit 1923. In fremden Sprachen erschienen 1896 eine tschechische Ausgabe, 1900 und 1908
polnische Ausgaben, 1902 eine kroatische Ausgabe, seit 1911 mehrere amerikanische Ausga-
ben, 1970 eine hebräische Ausgabe. Die ausländischen Ausgaben des Putzger wurden gegen-
über der deutschen Ausgabe mehr oder weniger stark bearbeitet. – Eine ähnliche Wirkung
könnte einmal der dtv-Atlas zur Weltgeschichte, hrsgg. von Hermann Kinder und Werner Hil-
gemann
, 1. Aufl. München 1964, erlangen, der inzwischen in französischer, englischer, italie-
nischer, japanischer, niederländischer und spanischer Übersetzung erschienen ist und allein in
der deutschen Ausgabe bereits eine Auflage von rund einer Million Exemplaren erreicht hat.

 4 Einen Vergleich von 42 Atlanten zur allgemeinen Geschichte aus 22 verschiedenen Ländern
bietet: Armin Wolf: Das Bild der europäischen Geschichte in Geschichtsatlanten verschiedener


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Länder. In: internationales Jahrbuch für Geschichts- und Geographieunterricht, Band 13.
Braunschweig 1970, 64-101. Auszugsweise übersetzt ins Englische (Education and Culture,
Review of the CCC of the Council of Europe 17, 1971, 37-41), Französische (Education et
culture 17, 1971, 37-41), Niederländische (Spiegel Historiael 8, 1973, 670-677, 703-704)
und Italienische (Movimento per l’Integrazione Universitaria Europea, MIUE, Atti 2/3, 1976,
199-206). Vgl. auch: Armin Wolf: Europäische Rechtsgeschichte in Geschichtsatlanten, in:
Studien zur europäischen Rechtsgeschichte. Hrsgg. von Walter Wilhelm. Frankfurt am Main
1972, 304-315. Wertvolle Kritik zu Geschichtsatlanten und ihrer Methoden bietet Norbert
Ohler
, Historische Atlanten – Tendenzen und Neuerscheinungen, Militärgeschichtliche Mit-
teilungen 2 (1977) 141-176.

 5 Vgl. hierzu die Statistik von bevorzugten und vernachlässigten Epochen der europäischen Ge-
schichte in Geschichtsatlanten Wolf (1970) 85-87.

 6 Karl von Spruners Historisch-geographischer Schul-Atlas (1. Aufl. vor 1865), 10. Aufl. Gotha
1891, Karte XV. C.E. Rhode: Historischer Schul-Atlas ..., 11. Aufl. Glogau um 1875, Tafel
XVI. Emanuel Hannak und Friedrich Umlauft: Historischer Schul-Atlas. 6. Abdruck, Wien
1902, Schubert-Schmidt: Historisch-geographischer Schul-Atlas ... 2. Aufl. Wien 1909, Tafel
47. Lediglich bei Karl von Spruner: Historisch-geographischer Hand-Atlas, 2. Aufl. Gotha
1854, Tafel IX („Deutschland zur Zeit des 30jährigen Krieges“) und X („Deutschland
1649-1792“) fand ich vor 1877 bereits eine so detaillierte Darstellung kleiner und kleinster
Territorien; dieser wissenschaftlich angelegte Atlas hat aber Folioformat und gibt auch z. B.
für Frankreich und Italien sowie für die deutschen Herzogtümer des Mittelalters kleine und
kleinste Herrschaften an, die sonst kaum je in einem Atlas berücksichtigt werden; er führt so-
gar für die iberische Halbinsel die Besitztümer einzelner Adelsfamilien an; hier kann sich also
nicht der Eindruck einer besonderen Kleinstaaterei Deutschlands nach 1648 einstellen wie
beim Putzger. Das Gegenbeispiel zur Putzger-Karte von 1877 ist übrigens die Karte „Mittel-
europa nach dem Westfälischen Frieden 1648“ in der österreichischen Ausgabe des Putzger
von 1935 (hrsg. von Karl Diwald und Alois Hinner, Wien): Hier erscheint das gesamte Reichs-
gebiet einheitlich in roter Flächenfarbe; von den Territorien werden nur einige größere –
Brandenburg(-Preußen), Habsburg, Sachsen, Bayern, Lothringen, Spanische Niederlande,
schwedische und dänische Gebiete – besonders bezeichnet, dies auch nur mit einer schmalen
Randfärbung. Das Reich des 17. Jahrhunderts wirkt auf dieser Karte nicht als Opfer der
‚Kleinstaaterei‘, sondern viel eher als Vorläufer ‚Großdeutschlands‘.

 7 Theophil König: Historisch-geographischer Hand-Atlas zur ältern, mittlern und neuern Ge-
schichte, Zu den Geschichtswerken von Schlosser, Becker, Nösselt, Pölitz, Rotteck, Volger
und anderen. Wolfenbüttel 1850, Karte XIX.

 8 Vgl. z. B. die Karten in Johann David Köhlers Schul- und Reisen-Atlas, Nürnberg 1719, und
Le Rouge: Introduction à la Géographie. Paris 1748. Man vergleiche auch die bekannten At-
lanten von Homann und die nach Reichskreisen gegliederten Topographien von Merian.

 9 Putzger 14. Aufl. (1888) Vorwort S. V. Zitiert nach der 15. Aufl. (1889).

 10 24. Auflage (1900) Vorwort S. V. Erst während der Drucklegung wurde mir der Aufsatz von
Helmut Beilner, Geschichtsunterricht vor 1918, Zeitschrift für bayerische Landesgeschichte 40
(1977) 641-675, bekannt. Zum Verhältnis zwischen deutschem und teilstaatlichem Nationa-
lismus im damaligen Geschichtsunterricht s. besonders S. 659-665.

 11 25. Aufl. (1901) Vorwort S. VII.

 12 25. Aufl. (1901) Vorwort S. VII.

 13 Vorwort. Da mir die 44. Aufl. (1923) nicht zugänglich ist, zitiere ich nach der 45. Aufl. (1924)

 14 Vgl. die Stadtkarten im Geschichtlichen Handatlas der Rheinprovinz. Im Auftrage des Insti-
tuts für geschichtliche Landeskunde der Rheinlande an der Universität Bonn. Hrsgg. von Her-
mann Aubin
und Josef Niessen. Köln/Bonn 1926.


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 15 50. Aufl. (1931) 4. Leicht verändert 51. Aufl. (1934) 2. Die Karte fehlte seit 1937.

 16 „Ausbreitung der Kelten“ 50. Aufl. (1931) 37 oben. Die Karte ist in der Auflage von 1934 un-
verändert. Die „Völkerkarte Mitteleuropas um 400 und 100 v. Chr. – Züge der Kimbern und
Teutonen“ erschien in der 50. Aufl. (1931) 48 und in der 51. Aufl. (1934) 45 unverändert. In
wiefern diese Karten „inhaltlich vertieft“ wurden, ist nicht erkennbar. Lediglich die Karte
„Feldzüge des Germanicus“ 30. Aufl. (1906) 12 c, 50. Aufl. (1931) 45, wurde seit der 51. Aufl.
(1934) 44 zusätzlich mit der Angabe germanischer Fundorte usw. versehen.

 17 50. Aufl. (1931) 140/141.

 18 „Die Rheinlande 1918-1930“ 50. Aufl. (1931) 118. Vgl. 51. Aufl. (1934) 119, wo diese Karte
den Titel „Der Kampf um Rhein und Ruhr“ erhielt, inhaltlich mit Anmerkungen wie „Straß-
burg ... 1681 mitten im Frieden geraubt“ durchsetzt und um eine Karte des Saargebietes und
eine Karte „Ruhrkrieg 1921-1925“ erweitert wurde.

 19 Seit der Auflage von 1937 wurde aus dem „Umschwung in Deutschland“ die „Nationalsozia-
listische Revolution“. Die Auflage von 1936 konnte ich nicht überprüfen.

 20 Vgl. 50. Aufl. (1931) 4 und 51. Aufl. (1934) 2, wo lediglich auf der Nebenkarte „Bronzezeit“
einige wenige Ergänzungen vorgenommen wurden (Burgen der Lausitzer Kultur, einige Pfeile
für Handelsströme).

 21 51. Aufl. (1934) 4. Die Karte „Die europäischen Rassen“ steht noch 1937, fehlt aber bereits
1939.

 22 51. Aufl. (1934) 3. Die Karte „Die Entstehung der Indogermanen“ findet sich noch 1935,
fehlt aber bereits 1937.

 23 Die Karte „Germanen und Römer“ in der 51. Aufl. (1934) 44 ist in Wirklichkeit keine neue
Karte, sondern die lediglich leicht ergänzte alte Karte „Varusschlacht – Feldzüge des Ger-
manicus“. Vgl. 30. Aufl. (1906) 12 c, 50. Aufl. (1931) 45.

 24 51. Aufl. (1934) 49, bis zur Ausgabe von 1942 beibehalten.

 25 „Wikinger und Haithabu“ 51. Aufl. (1934) 54, bis zur Ausgabe von 1942 beibehalten. Vgl. 63.
Aufl. (1954) 56 „Normannen“ und 80. Aufl. (1961) 36 II „Haithabu“.

 26 51. Aufl. (1934) 52, bis zur Ausgabe von 1942 beibehalten.

 27 Die 51. Aufl. (1934) 112-117 enthielt nunmehr wieder sechs Seiten zum Weltkrieg gegen-
über achtzehn (1918), acht (1920), fünf (1923), drei (1931).

 28 51. Aufl. (1934) 120-121.

 29 Neu war die Karte „Das Grenzlandsdeutschtum“ (123). Die Karte „Das Auslandsdeutsch-
tum“ (140) war 1934 nicht neu, sondern unter dem Titel „Das Deutschtum“ bereits in der
Ausgabe von 1931 (134) vorhanden; sie wurde jetzt allerdings in der Farbgebung erheblich
eindrücklicher gestaltet: z. B. wirken jetzt nahezu ganz Europa und fast die halbe Welt von
„Orten mit größeren deutschen Kolonien“ übersät. Die 1917 eingeführte, 1931 weggefallene
Karte „Kolonialkämpfe“ kehrte 1934 modifiziert wieder (51).

 30 Hiermit sollen offenbar die beiden Seiten „Zur Nationalen Erhebung 1933 1 und II“
(136-137) gemeint sein. Es sind Karten zur Wahlgeographie 1919-1933 und zur Verbrei-
tung der Juden in Deutschland und Europa. Seit 1935 lautete der Titel „Zur Nationalsoziali-
stischen Revolution“.

 31 Trotz dieses ausdrücklichen Bezugs auf die Geopolitik wurde die 1931 eingeführte Seite
„Geopolitische Lage Deutschlands“ 1934 wieder weggelassen. Einige Elemente jener Seite
Wurden noch 1934 und 1935 in die Karte „Europa 1878-1912“ übertragen. 1937 wurden
auch diese geopolitischen Elemente getilgt. – Die 53. Aufl. (1936) ist mir nicht zugänglich.

 32 51. Aufl. (1934) Vorwort.

 33 Vgl. oben Anm. 21 und 22.

 34 Vgl. oben Anm. 16, 20, 23, 29.

 35 Wann die 61. und 62. Auflagen erschienen (1943? 1944?) konnte ich nicht feststellen. Das


GWU 1978/11


p. 718

Deutsche Bücherverzeichnis 1941-1950 nennt nur die 60. Auflage von 1942, die mir auch
vorlag.

 36 Sie wurde in den Ausgaben seit 1961 weggelassen, ihr Inhalt teilweise in der Karte „Öster-
reich und Preußen bis 1795“ (89) beibehalten. Vgl. auch die Karten in der 43. Auflage der
österreichischen Ausgabe von 1963: „Entwicklung der österreichischen Länder 976-1526“
(56/57) „Entwicklung der habsburgischen Länder 1526-1795 (96/97), „Kaisertum Öster-
reich, Österreichisch-Ungarische Monarchie 1815-1919“ (99) und „Die Nachfolgest
der Österreichisch-Ungarischen Monarchie“ (121).

 37 Gemeint sind hierbei wohl die neuen Karten „Reformbewegung des Mönchtums im Hochmit-
telalter“ (45) und „Ausbreitung des Zisterzienserordens“ (45), „Entstehung und Ausbreitung
der mittelalterlichen Stadt“ (53), „Konfessionen in Europa nach 1648“ (69), „El Escorial –
Versailles – Karlsruhe“ (85).

 38 80. Aufl. (1961) Vorwort.

 39 Helmut Schulze: Kurze Einführung in die Jubiläumsausgabe, S. 15-17.



















































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